Tanz und Performance im steirischen herbst: Doris Uhlich, Young Jean Lee und La Pocha Nostra
Doris Uhlich (A): Come Back
Fünf ehemalige Balletttänzerinnen und -tänzer kehren viele Jahre nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn zurück auf die Bühne. Während ihre Generationsgenossen Ende der Sechzigerjahre die Gesellschaft und die Welt veränderten, trainierten sie an der Stange. Haben sie die Aufbruchszeit um sie herum mitverfolgt? War ihnen bewusst, welche Wende draußen stattfand?
Nun, als Pensionäre, begründen sie radikal und selbstironisch ihre eigene revolutionäre Bewegung: Ein Jahr lang betrieben sie, gemeinsam mit der jungen Wiener Choreografin Doris Uhlich, eine Art futuristische Archäologie. Ohne Nostalgie und ohne persönliche Rechtfertigungen suchen sie nach den Spuren, die die Balletthierarchie und ihre strenge Körpertechnik in ihren Körpern hinterlassen haben. Sie schauen nicht zurück, sondern blicken aus: Welche mobilisierende Kraft steckt hier und jetzt in diesen disziplinierten, mit der Zeit veränderten Körpern?
Fr 05/10, Sa 06/10 & So 07/10, 19.30 Ort: MUMUTH
Young Jean Lee’s Theater Company (USA): Untitled Feminist Show
Sechs charismatische Stars aus dem New Yorker Theater-, Tanz-, Neo-Burlesque-Untergrund, weit jenseits des Broadways, in einer Show, irgendwo zwischen militantem Happening, befreiender Choreografie und Cabaret: Auch in ihrer jüngsten Arbeit stellt die koreanisch-amerikanische Regisseurin Young Jean Lee kulturelle Identitäten infrage und konfrontiert uns scharf und humorvoll mit unseren eigenen Vorurteilen.
„Untitled Feminist Show“ führt uns in eine Welt, in der weibliche Körper nicht in bestimmten Rollen gefangen sind, sondern frei, jegliche Identität zu verkörpern, auszuprobieren, wieder zu wechseln. Die ununterbrochene Nacktheit der Protagonistinnen – weit davon entfernt, schockierend oder schlüpfrig zu sein – unterminiert komisch und irreversibel die sozialen Geschlechterkonstruktionen.
Young Jean Lee hat die feministische Bewegung New Yorks zum Schwerpunkt gewählt, ohne selbst definieren zu wollen, was Feminismus heute bedeutet, ja nicht einmal, um für eine zeitgenössische feministische Position zu kämpfen. Sondern um gemeinsame, utopisch-feministische Erfahrung zu schaffen. Eine Erfahrung jenseits von Gender und Geschlecht, inspirierend und Mut machend.
Do 11/10, Fr 12/10 & Sa 13/10, 19.30 Ort: Camp: Black Cube, Opernring 5
La Pocha Nostra (USA/MEX): The Insurrected Body
Aus der Serie „Psycho Magic Actions for a World Gone Wrong“
Wie können wir offen, originell, durchlässig, komisch und kritisch zugleich bleiben, ohne in post-ironische Erschöpfung zu fallen oder nur ein weiteres, hübsch verpacktes Produkt für internationale Festivals zu liefern? Die legendäre Truppe La Pocha Nostra beantwortet diese Frage mit einem unverwechselbaren, Synapsen-explodierenden, eklektischen Mix aus Ritual, Performance und krassem Entertainment. Roboter-Barock, Cyborg-Kitsch und bissiger Humor vereinen sich zu einem überbordenden Hybrid aus lebendem Archiv und radikaler Pädagogik mit dem Ziel, rechtsextremem Isolationismus, Fremdenfeindlichkeit und der Brutalität organisierter Kriminalität auf die Schliche zu kommen. Denn was ist schon extrem, wenn alles extrem ist?
Das Publikum ist eingeladen, sich an diesem bizarren Experiment zu beteiligen, die Träume und Albträume unserer Zeit gemeinsam zu durchleben und die Performer dieser seltsamen reality show zu unterstützen. „The Insurrected Body“ erprobt eine vielleicht zuweilen tollpatschige, immer aber gelebte und radikale demokratische Praxis, bei der kein Abend dem anderen gleicht.
Do 11/10, Fr 12/10 & Sa 13/10, 21.30, Ort: Dom im Berg